Gründung

Die Gründung der Schützengesellschaft

Der Mythos

Mitte des 14. Jahrhunderts kam es immer wieder zu territorialen Streitigkeiten zwischen dem Hochstift Hildesheim und den umliegenden Stammlanden des Welfenhauses. Im Jahre 1367 fiel eine Streitmacht der Welfenallianz unter Führung des Bischofs von Braunschweig mit Unterstützung der Bischöfe aus Magdeburg und Halberstadt von Osten her in das Fürstbistum Hildesheim ein. Der Hildesheimer Bischof Gerhard vom Berge zog Ihnen mit einer Hildesheimer Streitmacht bestehend aus einigen Rittern, Hildesheimer Bürgern, unter Ihnen eine Anzahl von Armbrustschützen, und Bauern aus dem Umland entgegen. Am 3. September 1367 gelang es dem Bischof mit einem morgentlichen Überraschungsangriff das zahlenmäßig weit überlegene bei Dinklar lagernde Heer der Welfen zu schlagen. Soweit die Tatsachen.

Von der Gründung der Hildesheimer Schützengesellschaft im Nachlauf dieser Schlacht gibt es verschiedene Versionen. Die geläufigste ist, dass aus Furcht vor Racheaktionen der Welfen und als Dank für die Unterstützung Bischof Gerhard vom Berge die Hildesheimer Schützengesellschaft gründete, die seit dem als seine Leibgarde fungiert.

Historische Betrachtung

Die zentrale Frage bezüglich der Gründung der Hildesheimer Schützengesellschaft lautet immer: 1367, davor oder danach?

Bereits im ausgehenden 12. Jahrhundert wurden Teile des Stadtgebietes befestigt, die die Befestigungen der Domburg und des Michaelisklosters mit einschließen. Anfang des 13. Jahrhunderts trotzten die Hildesheimer Bürger dem damaligen Bischof das Besatzungsrecht und das Wachrecht an den Toren der Domburg ab, auch um eine Sonderfeste innerhalb des Stadtgebietes zu verhindern. Es musste also in diesem Zeitraum schon Bürger gegeben haben, die Stadt und Domburg schützten. Spätestens mit der Erlangung des Stadtrechtes 1249 ist es wahrscheinlich, dass die Bürger den Schutz ihrer Stadt selbst organisieren mussten. Mit der Verleihung des Stadtrechtes war der Bischof nicht mehr das Oberhaupt der Stadt, die Stadt war vom Fürstbistum unabhängig und wurde von einen gewählten Magistrat geleitet.

Gibt es auch bisher keine direkten Belege, so dürfte die mit dem Bischof verbündete Stadt Hildesheim in der Schlacht bei Dinklar im Jahre 1367 nicht nur ein stattliches Bürgerheer sondern darin auch zahlreiche (Armbrust-)Schützen gestellt haben. Die Masse des Heeres waren wohl dem Bischof direkt unterstehende spießtragende Bauern.

1368 folgte der Eintritt der Stadt in die Hanse. Spätestens hier werden die Bürger zum Schutz der Kaufleute eine eigene Schutztruppe aufgestellt haben.

Erste urkundliche Erwähnung finden die Hildesheimer Schützen 1379 in einem Rechnungsbuch der Stadt. 1392 taucht in den Rechnungsbüchern erstmals für die Schützen der Begriff „kumpenige“ auf, 1428 wird diese Vereinigung dort erstmals mit „selschup“ bezeichnet.

Das wahre Gründungsdatum liegt also im Dunkel der Geschichte. Die Variante mit der Schlacht bei Dinklar ist aber die spektakulärste.

Das Verhältnis der freien Stadt zum damaligen Landesherrn, dem Bischof, war in Hildesheim immer eine besondere Situation. Einerseits war die Stadt spätestens seit Erlangung des Stadtrechts in sehr vielen Dingen autonom, andererseits saß der Fürstbischof direkt innerhalb der Stadt und die Stadt war vom Fürstbistum umgeben. Bis zur Auflösung des Fürstbistums war die Stadt stets mit mehr oder weniger Erfolg bemüht, dem Bischof weitere Rechte abzutrotzen.

Die Hildesheimer Bürgerwehr und damit auch die Schützen unterstanden aber immer dem Rat oder Magistrat der Stadt, niemals dem Bischof. Das o. g. Besatzungs- oder Wachrecht, d. h. der Schutz der Domburg durch die Bürger, diente ja gerade dazu, zu verhindern, dass der Bischof eigene Truppen im Stadtgebiet installiert. Der Bischof verfügte zeitweise zwar über eine eigene Leibgarde, diese war aber in Peine stationiert.

Oftmals kämpften die Hildesheimer Bürger als Verbündete an der Seite des Bischofs, zum Beispiel 1367. Gerade in der Zeit zahlreicher Fehden im Stift im 15. und 16. Jahrhundert gab es aber auch Bündnisse gegen den Bischof.

Anderslautenden Meinungen widersprechend ist also festzustellen, dass die Hildesheimer Schützen zwar den Schutz des Bischofs stellten, aber niemals die Leibgarde des Bischofs waren.

Ist im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Neuzeit das Verhältnis eher das von Vertragspartnern, so hat sich mit dem politischen Machtverlust das Verhältnis zum Bischof deutlich entspannt. In der Neuzeit stellen die Hildesheimer Schützen immer wieder bei feierlichen Anlässen das Geleit, z. B. eine Ehrenwache bei der Beerdigung und ein Ehrengeleit bei der Einführung eines Bischofs. (Die gleiche Ehre wird übrigens auch evangelischen Würdenträgern zuteil.) Die zahlreichen von verschiedenen Bischöfen gestifteten Ketten zeigen ebenfalls die Verbundenheit. Sie werden von den Schützen mit Stolz getragen.